Liebe Bienenfreundinnen und Bienenfreunde,
Der Frühling ist nun schon in vollem Gange, und wer meinen Bienenstand hier in Harthausen besucht, der hört es sofort: ein geschäftiges Summen, ein unermüdliches Kommen und Gehen. Meine neun Völker sind voller Tatendrang. Die Kirschbäume in den Gärten ringsum, die gerade noch in voller Blüte standen und deren zarter Duft die Luft erfüllte, sind nun schon dabei, ihre ersten Früchte anzusetzen. Und jedes Mal, wenn ich das sehe, wenn ich die kleinen, grünen Punkte an den Zweigen entdecke, dann wird mir wieder aufs Neue bewusst, welche immense Rolle meine kleinen Arbeiterinnen dabei spielen. Es ist nicht nur der Honig, den sie uns schenken, es ist so viel mehr. Heute möchte ich euch mitnehmen auf einen kleinen Gedankenflug darüber, warum Bienen so unglaublich wichtig sind – für uns alle, hier in Ulm und überall.
Das geschäftige Treiben vor den Fluglöchern: Ein Blick in Harthausen
Gerade heute Morgen saß ich wieder auf meiner kleinen Bank am Bienenstand. Die Sonne hatte schon ordentlich Kraft, und die Temperaturen kletterten langsam nach oben. Was für ein Schauspiel sich da vor den Fluglöchern meiner Völker abspielte! Hunderte von Bienen starteten und landeten im Sekundentakt. Manch eine kam vollgepackt mit leuchtend gelben Pollenhöschen zurück, andere summten mit prall gefülltem Honigmagen heimwärts. Ich konnte förmlich spüren, wie das Leben in den Völkern pulsiert. Eine meiner Völker, die ich liebevoll die „Philosophen“ nenne, weil sie oft so bedächtig wirken, zeigte heute eine erstaunliche Dynamik. Jede Biene hatte ihre Aufgabe, jede wusste, wohin sie musste, und das alles in einem perfekt organisierten Chaos.
Es ist diese pure Lebenskraft, dieses unermüdliche Schaffen, das mich jedes Mal wieder fasziniert. Wenn ich dann durch die umliegenden Felder und Gärten hier in Harthausen spaziere, sehe ich das Ergebnis ihrer Arbeit. Die Obstbäume, die Rapsfelder, die langsam ihre Farbe wechseln, die unzähligen Wildblumen am Wegesrand – sie alle tragen die Handschrift meiner Bienen und die ihrer wildlebenden Verwandten. Es ist eine tiefe Verbundenheit, die ich zu dieser Landschaft und ihren kleinen Bewohnern spüre. Für mich als Imker ist es nicht nur ein Hobby, es ist eine Verantwortung und eine ständige Erinnerung daran, wie zerbrechlich und gleichzeitig widerstandsfähig unsere Natur ist.
Mehr als nur Honig: Die unsichtbaren Dienste unserer Bestäuber
Wenn wir an Bienen denken, kommt den meisten von uns sofort Honig in den Sinn – das flüssige Gold, das unsere Frühstückstische versüßt. Und ja, mein Harthausener Honig ist etwas, worauf ich sehr stolz bin! Aber die Bedeutung der Bienen geht weit über diese süße Leckerei hinaus. Sie sind die stillen Architekten unserer Ökosysteme, die unermüdlichen Gärtner, die dafür sorgen, dass unsere Welt blüht und Früchte trägt.
Die Bedeutung der Bestäubung
- Ernährungssicherheit: Schätzungen zufolge sind etwa 75% unserer wichtigsten Kulturpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Das betrifft nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Nüsse, Kaffee und sogar Futtermittel für Nutztiere. Ohne Bienen gäbe es deutlich weniger Äpfel vom Bodensee, keine saftigen Kirschen aus der Region, keinen Raps für unser Öl, und viele Gemüsesorten würden einfach nicht gedeihen. Stellt euch vor, wie leer die Regale in unseren Supermärkten wären!
- Biodiversität: Bienen bestäuben nicht nur Kulturpflanzen, sondern auch unzählige Wildpflanzen. Diese Pflanzen sind wiederum die Lebensgrundlage für eine Vielzahl anderer Tiere – Insekten, Vögel und Säugetiere. Sie bilden die Basis komplexer Nahrungsnetze. Eine intakte Bienenpopulation ist somit ein Garant für Artenvielfalt und ein gesundes, widerstandsfähiges Ökosystem. Wenn die Bienen leiden, leidet die gesamte Natur mit ihnen.
- Wirtschaftlicher Wert: Der wirtschaftliche Wert der Bestäubungsleistung von Bienen wird weltweit auf Milliarden Euro geschätzt. Allein in Deutschland liegt der geschätzte Wert der Bestäubungsleistung durch Honigbienen bei mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr. Das ist eine enorme Summe, die uns vor Augen führt, dass der Beitrag der Bienen weit über den Preis eines Glases Honig hinausgeht. Es ist eine kostenlose Dienstleistung, die wir uns gar nicht mehr wegdenken können.
Für mich ist es immer wieder erstaunlich zu sehen, wie diese winzigen Geschöpfe eine so gewaltige Wirkung entfalten. Wenn ich in ein meiner Völker schaue und die Königin sehe, wie sie fleißig Eier legt, dann weiß ich, dass jeder dieser winzigen Punkte die potenzielle Grundlage für unzählige Bestäubungsflüge ist, die unsere Natur am Leben erhalten.
Was wir in Harthausen und darüber hinaus tun können – und tun!
Angesichts dieser enormen Bedeutung ist es unsere Pflicht, die Bienen zu schützen und zu unterstützen. Als Imker trage ich hier in Harthausen meine Verantwortung mit Stolz, aber jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten.
Als Imker (und für alle Interessierten):
- Standortwahl und Trachtangebot: Ich achte darauf, meine Völker an Standorten zu platzieren, die ein vielfältiges und reichhaltiges Nahrungsangebot bieten. Hier in Harthausen habe ich das Glück, dass es sowohl landwirtschaftliche Flächen (Raps, Sonnenblumen) als auch Gärten und naturbelassene Flächen gibt. Ich pflanze auch selbst bienenfreundliche Blumen rund um meinen Bienenstand, wie Phacelia, Borretsch und Lavendel, um das Nahrungsangebot zu ergänzen, besonders in trachtarmen Zeiten.
- Gesunde Bienenhaltung: Eine gute Imkerpraxis ist entscheidend. Das bedeutet für mich, meine Völker regelmäßig auf Krankheiten zu kontrollieren (Varroa ist hier das größte Thema!) und sie bei Bedarf zu behandeln, aber immer mit Blick auf das Wohl der Bienen und die Qualität des Honigs. Ich sorge für ausreichend Platz im Stock und übermäßige Schwärmerei, die die Völker schwächen könnte, versuche ich durch kluge Betriebsweise zu verhindern.
- Wissen teilen: Ich spreche oft mit Nachbarn und Interessierten über meine Bienen. Manchmal lade ich sie sogar zu einem Blick hinter die Kulissen ein. Aufklärung ist der erste Schritt zu mehr Wertschätzung.
Was jeder Einzelne tun kann:
- Bienenfreundliche Gärten schaffen: Jeder Balkon, jeder Garten kann zu einer Oase für Bienen werden. Pflanzt heimische Blühpflanzen, die zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühen. Beispiele, die hier in unserer Region gut gedeihen, sind etwa Krokusse und Schneeglöckchen im Frühjahr, Lavendel, Salbei und Glockenblumen im Sommer, und später im Jahr Astern und Fetthenne. Lasst auch mal eine Ecke wild wachsen – Brennnesseln sind zum Beispiel wichtige Nektarquellen für Schmetterlinge.
- Auf Pestizide verzichten: Chemische Pflanzenschutzmittel sind eine große Bedrohung für Bienen. Verwendet in euren Gärten biologische Alternativen oder lasst die Natur selbst ihre Kreisläufe regeln. Das ist nicht nur besser für die Bienen, sondern auch für eure Gesundheit und die eurer Haustiere.
- Wasserquellen anbieten: Bienen brauchen Wasser! Gerade an heißen Tagen suchen sie dringend danach. Eine flache Schale mit Wasser und ein paar Steinen, auf denen sie landen können, ist eine einfache, aber effektive Hilfe.
- Lokalen Honig kaufen: Unterstützt lokale Imker! Damit fördert ihr nicht nur die regionale Wirtschaft, sondern auch die Bienenvölker in eurer Nähe. Mein Harthausener Honig zum Beispiel ist nicht nur lecker, sondern auch ein direktes Produkt der Bestäubungsleistung unserer lokalen Bienen.
Das Summen des Lebens: Ein persönlicher Moment
Wenn ich abends nach einem langen Tag am Bienenstand sitze, die Sonne langsam über den Feldern von Harthausen untergeht und das Summen der heimkehrenden Bienen mich umgibt, dann überkommt mich oft eine tiefe Dankbarkeit. Es ist nicht nur der Erfolg eines Honigerntejahres, der zählt, sondern das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Ich erinnere mich an einen Moment im letzten Frühjahr, als ich ein Volk zur Kontrolle öffnete. Der warme, würzige Duft von Honig, Wachs und Propolis stieg mir entgegen. Ich sah die Königin, umgeben von ihrem Hofstaat, wie sie seelenruhig ihre Eier legte. Drumherum die Ammenbienen, die Brut pflegten, und die Sammlerinnen, die unermüdlich Pollen und Nektar einlagerten.
Es ist diese Energie, diese Perfektion und das unbedingte Streben nach Leben, das mich immer wieder aufs Neue berührt. Meine neun Völker sind wie neun kleine Universen, jedes mit seinem eigenen Charakter, aber alle vereint in einem gemeinsamen Ziel: zu leben, zu arbeiten und zu bestäuben. Manchmal mache ich mir Sorgen, wenn ein Volk schwächelt oder das Wetter nicht mitspielt. Aber dann sehe ich die Widerstandsfähigkeit dieser Tiere, ihre Fähigkeit, sich anzupassen und immer wieder aufzustehen. Das lehrt mich viel über das Leben selbst.
Ein Appell aus Harthausen
Warum Bienen so wichtig sind, ist eine Frage, die weit über die Imkerei hinausgeht. Es ist eine Frage unserer Ernährung, unserer Ökosysteme, unserer gesamten Lebensgrundlage. Die Bienen sind die stillen Heldinnen, die uns das alles ermöglichen.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass das Summen unserer Bienen niemals verstummt. Egal ob Imkerin, Gärtner oder einfach nur Bienenfreund – jeder von uns kann einen Beitrag leisten, hier in Ulm-Harthausen und darüber hinaus. Achtet auf die kleinen Bestäuber, schafft Lebensräume, pflanzt Blumen und unterstützt die Imkerei in eurer Nähe. Es sind kleine Taten mit einer riesigen Wirkung. Und glaubt mir, das Gefühl, wenn man weiß, dass man den Bienen geholfen hat, ist so viel süßer als jeder Honig!
In diesem Sinne, bleibt summiert und bienenfreundlich!
Euer Imker aus Harthausen




